Schlagzeilen als Stimmungsmache gegen Vitamine

Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel stehen immer wieder in der Kritik. Oftmals ist diese Kritik aber alles andere als sachlich sondern vielmehr leichtfertig recherchiert. Für Journalisten ist die Schlagzeile das Kernelement eines jeden Beitrags, schließlich entscheidet sie darüber, ob ein Artikel gelesen wird oder eher nicht. Natürlich ist der eigentliche Gesamtinhalt nicht minder wichtig, aber die Aussage der Schlagzeile bleibt den Lesern im Kopf und dient als suggestive Meinungsbildung.

Aktuell hat das ZDF eine Folge der WISO-Konsumagenten mit dem Titel „Die Vitamin-Falle“ ausgestrahlt. Etliche Online-Agenturen nehmen diesen Beitrag bereitwillig auf, u.a. Stern und Kölner-Stadt-Anzeiger. Bei den Online-Magazinen muss die Headline allerdings noch etwas reißerischer verfasst werden „ZDF WISO – Vitaminpräparate – nicht nur nutzlos sondern auch schädlich?“ bzw. „Das Geschäft mit den Vitaminen: So sinnlos sind Supplemente“.
Dass diese Headlines zu einer negativen Meinungsbildung in Bezug auf Vitamine & Co. führen sollen, ist meiner Meinung nach offensichtlich.

Vitamine – „Eine Überdosierung ist eher unwahrscheinlich“

Beim näheren Betrachten der Beiträge fallen diese Headlines allerdings sehr schnell in sich zusammen.
Der Kölner-Stadt-Anzeiger schreibt: „eine Hypervitaminose ist in der Regel eher unwahrscheinlich“. Was im Klartext bedeutet, dass eine Überdosierung also nahezu ausgeschlossen ist, wenn die empfohlene Dosierung eingehalten wird. Der Verfasser des Textes hat auch übersehen, dass WISO dubiose Schlankheitspillen aus dem Internet mit dem Wirkstoff Ephedrin als gesundheitsgefährlich und schlimmstenfalls tödlich anmahnt, womit WISO meiner Meinung nach auch absolut recht hat. Aber es besteht hierbei überhaupt kein Zusammenhang zu Vitaminpräparaten und Nahrungsergänzungsmitteln im Allgemeinen.

Der Stern stützt seine Headline unter anderem auf eine Stellungnahme vom Max-Rubner-Institut. Der zuständige Mitarbeiter betont, „es gibt keinen Vitaminmangel, der klinisch relevant wäre“. „Andere Behauptungen würden gezielt durch die Hersteller der Präparate gestreut und so Geschäftsinteressen verfolgt“. Der Rat des Experten lautet daher: „Wer sich ausgewogen ernährt, muss sich nicht mit zusätzlichen Vitaminpräparaten eindecken.“
Diese Aussagen sind meiner Meinung nach in großen Teilen absolut richtig, lassen aber keine Deutung im Sinne der genutzten negativen Schlagzeilen zu.

[bctt tweet=“Ist eine gesunde, ausgewogene #Ernährung mit dem Alltag vereinbar? #Vitamine #Nahrungsergänzung“ username=“steffen_kuhnert“]

Wir müssen uns doch viel mehr die Frage stellen, ob eine gesunde und ausgewogene Ernährung in der heutigen Zeit mit den alltäglichen Anforderungen und Herausforderungen überhaupt praktikabel ist und in der Bevölkerung effektiv durchgeführt wird.

Es ist doch nicht zielführend, wenn alle Institute und Gesellschaften, die sich mit Ernährungsfragen beschäftigen, immer wieder betonen, dass eine ausgewogene Ernährung keine Vitaminsupplementierung benötigt, wenn die Ernährungssituation in der Praxis ganz anders aussieht.

Max-Rubner-Institut: „Nationale Verzehrsstudie 2“

Zur Beantwortung dieser Frage möchte ich wieder das Max-Rubner-Institut mit der zuletzt 2008 durchgeführten Nationalen Verzehrsstudie 2 und folgenden Kernaussagen (Seite 24) zitieren:

  • Die DGE-Empfehlungen für den Gemüseverzehr von 400g/Tag unterschreiten 87,4% der Befragten
  • Die DGE-Empfehlung zum Obstverzehr von 250g/Tag wird von 59% der Befragten nicht erreicht.
  • 16% der Befragten haben in den letzten 4 Wochen vor der Befragung keinen Fisch bzw. keine Fischgerichte verzehrt.

Wieso betont ein leitender Mitarbeiter dieses Instituts, dass eine ausgewogene Ernährung zur Vitaminversorgung völlig ausreichend sei, wenn eben dieses Institut veröffentlicht hat, dass ein Großteil der Bevölkerung deutliche Probleme mit der Umsetzung einer ausgewogenen Ernährung hat?

Meine Aussage läßt sich auch aus dem aktuellen Ernährungsreport 2016 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ablesen, der zu dem Ergebnis kommt, dass durchschnittlich nur etwa 75% der Befragten täglich Obst und Gemüse essen und nur 69% auf eine meist gesunde Ernährung achten. Diese Zahlen werden hier leider nicht weiter quantifiziert, aber es ist zu vermuten, dass sich keine größeren Veränderungen in den letzten Jahren ergeben haben.
In diesem Zusammenhang möchte ich nicht versäumen, ein Statement auf der Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zu erwähnen: „Die Deutschen verbrauchen seit dem Jahr 2000 mehr Gemüse. Der Verbrauch steigt um 1,1 kg pro Kopf und Jahr. Diesen positiven Trend begrüßen wir sehr. Er dürfte zu einer besseren Versorgung mit einigen Vitaminen sowie mit sekundären Pflanzenstoffen und Ballaststoffen beitragen.“
Fürs Verständnis, die DGE empfiehlt 400g Gemüse pro Kopf am Tag. Dies macht im Jahr 146 kg Gemüse pro Einwohner. Wir reden hier somit über eine Steigerung von etwa 0,75%. Ist das wirklich ein erwähnenswerter Trend? Im gleichen Atemzug wird leider auch der Rückgang im Obstverzehr von 800g pro Kopf und Jahr erwähnt. Unterm Strich ist der Trend für eine ausgewogene Ernährung wohl eher sehr überschaubar.

Eine ausgewogene Ernährung ist wichtig

Selbstverständlich ist es vollkommen richtig, immer wieder auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung hinzuweisen, da diese das Beste für unsere Gesundheit ist.
Aber Journalisten wären meiner Meinung nach bei der Erstellung Ihrer Headlines und Aussagen oftmals besser beraten, bei der Wahrheit zu bleiben. Leider verbreiten sich solche Berichte im Internet wie ein Lauffeuer, da sie ungefiltert dupliziert werden. Neuer Content ist schließlich immens wichtig.
Unterm Strich bleibt die Verunsicherung der Bevölkerung und ein genereller Imageschaden einer ganzen Branche.

Es wird oft geschrieben, dass die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln Panik machen würden, um ein besseres Geschäft zu erzielen. Seriöse Anbieter werden dies aber nicht leichtfertig tun. Daher unterstütze ich die Aussage von WISO, nicht leichtsinnig bei dubiosen Anbietern im Internet zu bestellen. Leider gibt es in allen Branchen auch schwarze Schafe. Dies rechtfertigt aber keine pauschale Verurteilung.

Die aktuelle Berichterstattung sieht mir leider viel mehr nach einer ungerechtfertigten Panikmache gegenüber Vitaminen aus.

[bctt tweet=“Schlecht recherchiert – Ungerechtfertigte Panikmache gegen #Vitamine & Co“ username=“steffen_kuhnert“]